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Erfahrungsbericht Rahel Buschor, Departement Musik, MA Musikpädagogik

Ein Tisch voller leckerer Speisen, schweißnasse Körper in feuchten Trainingskleidern, Abschiedstränen am Flughafen, täglich sich wiederholende Grundsatzdiskussionen zu Darstellungsformen auf der Bühne, Bus fahren in Beijing, üben üben üben,... Diese und viele andere Bilder gehen mir durch den Kopf, wenn ich an die vergangenen vier Wochen in Beijing denke.

Die Zusammenarbeit mit den chinesischen Studierenden erlebte ich als bereichernd und positiv. Der erste Kontakt war von beiden Seiten her etwas zurückhaltend und scheu, vor allem wenn wir uns mit dem Gegenüber nicht durch eine gemeinsame Sprache verständigen konnten. In der Projektarbeit versuchten wir dann aber auch andere Kanäle zu nutzen: in Kontakt kommen durch Bewegung, Tanz, Stimmübungen und Spiele, das gegenseitige Vorstellen von eigenen Kunstarbeiten, der Lieblingsmusik etc.

Die chinesischen Studierenden entpuppten sich als sehr herzlich, neugierig und am gegenseitigen Austausch interessiert. Gerne führten sie uns nach den täglichen Probearbeiten ins Theater oder zum Essen aus und zeigten uns ihre Stadt. So kam ich auch neben der Projektarbeit mit der chinesischen Kultur und Sprache in Kontakt. Die Zusammenarbeit im Projekt war aber nicht immer einfach, obwohl unsere chinesische Übersetzerin Glanzarbeit leistete. 

Die chinesischen Studierenden zeigten zum Teil eine beeindruckende Bühnenpräsenz und spezifische körperliche Fertigkeiten, die wir SchweizerInnen nicht einfach so nachmachen konnten. Das Suchen von Bewegungsmaterial durch Improvisationsaufgaben, sowie das selbst-ständige Erarbeiten von einem Stück, schienen ihnen hingegen fremd. Wo zu Beginn verschiedene Praktiken und Vorstellungswelten aufeinander prallten, gelang es uns mit der Zeit, diese miteinander zu verbinden, und so etwas Drittes, Neues, entstehen zu lassen.

Ich habe am Projekt das ganze Setting geschätzt: die Organisation, (obwohl nicht immer alles nach ‚schweizerischen Vorstellungen’ lief), die professionelle Projektleitung durch Eva Wandeler und Daniel Späti sowie die ‚interkulturelle Übersetzungshilfe’ durch Yun Long Song, die spannenden Vorlesungen und Inputs aller beteiligten Dozierenden, die Zusammenarbeit der Menschen aus den verschiedenen künstlerischen Disziplinen. Das klar definierte Ziel, nämlich die Schlusspräsentation der Projekte an die Öffentlichkeit, gab dem Projekt eine zusätzliche Ernsthaftigkeit. Das Wohnen auf dem Campus der Universität bot was wir zum Leben brauchten, sodass ich mich voll aufs Projekt konzentrieren konnte. Das gefiel mir sehr.

Die tägliche Arbeit am Projekt und die Auseinandersetzung mit verschiedensten Themen machten aus unserer heterogenen Workshopgruppe (verschiedene Kulturen, unterschiedliche künstlerische Disziplinen und Vorstellungswelten etc.) eine Art homogenes Gefüge. Das war eindrücklich zu erleben. Obwohl es von außen einen stützenden Rahmen gab, welcher dem Projekt die Richtung vorgab und es wo nötig stützen konnte, war schlussendlich jede Gruppe selber für ihr Projekt verantwortlich. Diese Mischung aus Eigenverantwortung und begleitet werden, war ideal, um kreative Prozesse in Gang zu bringen. 

Jeden Tag gab es zudem kleine Erfolge und Höhepunkte bei den Probearbeiten: Eine erfolgreiche Verständigung, eine fruchtbare Diskussion, das Überwinden von schwierigen Momenten, die erste Probe mit Make-Up und Kostümen, ein Durchlauf mit Testpublikum etc. Obwohl der Weg des Stück-Erarbeitens und der Prozess in der Gruppe das eigentlich Wichtige waren, sah ich in der Präsentation unseres Projektes vor Publikum einen Höhepunkt. Die Zuschauenden gaben uns viele positive Rückmeldungen. Deshalb glaube ich, dass das interkünstlerische und -kulturelle Produkt einen ‚universellen’ Charakter bekam, das jeden Menschen an einem Ort berühren konnte.

Obwohl wir alle verschiedene Personen mit unterschiedlichem Hintergrund waren, gab es immer wieder Momente in denen ich spürte, dass wir alle Menschen mit gleichen Bedürfnissen waren, egal ob chinesischer oder schweizerischer Herkunft. So waren beispielsweise alle nervös vor der Projektpräsentation, oder zwischendurch besorgt, dass wir nicht rechtzeitig mit der Arbeit fertig würden.  

Durch die Übersetzung (sprachlich und interkulturell) dauerte alles etwas länger. Dies verlangte von allen Beteiligten manchmal viel Geduld. Immer wieder gab es Missverständnisse, Meinungsverschiedenheiten, unterschiedliche Sichtweisen. Aber das hat mir gezeigt, dass es viele verschiedene Wege gibt zu einem Ziel zu kommen. Zusätzlich konnte ich durch den Kontakt mit der Pekingoper und dem chinesischen Schauspiel mein Bewegungsrepertoire erweitern und neue Darstellungsformen kennenlernen. Ich versuchte dabei immer wieder eine wichtige Regel aus Improvisationsspielen im Theater zu berücksichtigen: „Spielangebote annehmen“ und „ja“ sagen zu Ideen der Mitspielenden. So konnten spannende Dialoge und unvorhergesehene Blitzideen entstehen. Ich habe erfahren, dass fremde Kulturen mir viel über meine eigene Kultur und Herkunft lehren. Die Zeit in China ist mir in sehr positiver Erinnerung geblieben. Gerne wäre ich noch etwas länger da geblieben, um mich mit Kultur, Sprache, und vor allem mit den darstellenden Kunstformen vertieft auseinander zu setzen. Ich durfte viele interessante, berührende, komische, lustige Begegnungen mit einheimischen Menschen machen. Vor allem den direkten Kontakt mit den chinesischen Studierenden habe ich sehr geschätzt. Durch sie bekam ich einen Einblick in das Studentenleben in China. Neben vielen Unterschieden entdeckten wir viele Gemeinsamkeiten und konnten viele unvergessliche Erlebnisse teilen. Ich bin unendlich dankbar für die Erlebnisse und Erfahrungen, die ich in China sammeln durfte. Mein erstes Mal China war sicher nicht das letzte Mal!

Das Projekt „Common Stage“ ist in meinen Augen etwas einmaliges, ein Modell, wie interkultureller Austausch gefördert und gelebt werden kann. Ich hoffe, dass das Projekt noch eine lange Zukunft vor sich hat, und dass viele StudentInnen davon profitieren dürfen!