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Erfahrungsbericht Sandra Lang, Departement Medien & Kunst, MA Theorie

Als eine unter 18 StudentInnen der ZHdK durfte ich zusammen mit den anderen vier intensive Arbeitswochen in Beijing miterleben. Unsere Zürcher Gruppe setzte sich aus ganz unterschiedlichen Studenten, aus verschiedenen Departementen der Kunsthochschule zusammen, sodass verschiedene Sektionen der Darstellenden Kunst, das Musik-Departement, Style und Design und das Departement Kunst & Medien im Projekt vertreten waren. Aus der chinesischen Schule waren diesmal Leute aus dem traditionellen Pekingoper-Schauspiel, Maskenbildnerei, Lightdesign, Kostümdesign und Schauspiel im Bereich Film und Fernsehen mit dabei. Ist diese gemischte Zusammenarbeit für uns Zürcher Studenten eine seltene Gelegenheit der Vermischung der Disziplinen, so ist sie für die Studenten der Nacta gänzlich ungewohnt und deswegen für alle Beteiligten besonders wertvoll. Ich konnte in Beijing also nicht nur chinesische Studenten und ihre anderen Arbeitsweisen kennenlernen, sondern ebenso neu waren für mich die Gesichter aus Zürich.

Nach zweimal jeweils drei intensiven Vorbereitungstagen, in welchen uns erste Grundkenntnisse in Chinesisch vermittelt wurden und eine Reihe von eingeladenen Gästen über spezifische Aspekte der chinesischen Kultur und der interkulturellen Zusammenarbeit referierten, wurde es am 6. August mit dem gemeinsamen Check-In in Zürich-Kloten dann ernst. Nach etwa 13 Stunden Flug mit einem Zwischenstopp in Frankfurt kamen wir endlich in Beijing an. 

Dort haben wir nach einem Tag Sightseein, an welchem wir die Gelegenheit bekamen verschiedene bekannte kulturelle Stätten in Beijing gleich mit der Aufteilung in fünf Arbeitsgruppen, in welcher jeweils etwa gleich viele Schweizer wie chinesische Studenten vertreten waren, begonnen. Dieses Jahr hatten sich Eva Wandeler und Daniel Späti, die Projektleiter aus Zürich, schon im Vorfeld mit den chinesischen Dozierenden darauf geeinigt, ein Theaterstück als thematische Basis und roter Faden für die fünf Gruppenprojekte, welche sich vom Schauspiel über die Installation bis zu gemischten Formen entwickeln konnten, zu wählen. Der Vorschlag von chinesischer Seite war, sich mit dem Dürrenmattstück „Der Besuch der alten Dame“ auseinanderzusetzen, einem Schweizer Autor, welcher auch in China ein Begriff ist.

Das Stück, in welchem die Frage nach der Käuflichkeit/Unkäuflichkeit der Gerechtigkeit eine zentrale Rolle spielt, wurde von unseren Dozenten in verschiedene Themenbereiche unterteilt. Jede Gruppe entschied sich für eines dieser Themenschwerpunkte die von „Gerechtigkeit“, über das Verhältnis von „Individuum und Kollektiv“ über „Schuld“ und „Verlust der Moral“ bis zu „Power und Money“. Unsere Gruppe hat sich um das letztgenannte Begriffspaar formiert.

Die Gruppe „Power und Money“ setzte sich aus vier Studenten aus Beijing, und dreien aus Zürich zusammen. Das waren aus der NACTA die Schauspielerin Theresa, die Maskenbildnerin Jone, der Regisseur Silvan, Andy dem Lichtdesigner, einer Übersetzerin (Gabriella die im Verlauf des Projekts von Christina abgelöst wurde), welche wir als vollwertiges Gruppenmitglied sahen und aus Zürich Asia, welche aus dem Master of Fine Arts, Marvin aus der Photographie und ich aus der Vertiefung Theorie. Zu Beginn des Projekts haben wir zuerst eine Reihe Experimenten gemacht, welche dazu dienen sollten, uns untereinander und uns mit der Umgebung vertraut zu machen. Dazu haben wir uns gegenseitig Übungen und Spiele gezeigt, welche wir in unserem geräumigen aber dem Klima entsprechend feuchtheissen Trainingsraum mit riesigen Teppich ausprobierten, haben uns gegenseitig interviewt, mit Video und Foto aufgenommen und einfach versucht, zu kommunizieren, was sich gar nicht so einfach herausstellte, da nicht alle Studenten Englisch konnten

Die Verständigung in der Gruppe war eines der größten Abenteuer. Oft hatten wir das Gefühl uns verstanden zu haben und Stunden oder gar Tage später kamen dann Missverständnisse ans Licht, oder einer von uns verzweifelte fast, weil er/sie dachte, sich nicht verständlich ausdrücken zu können und plötzlich schien dem Gegenüber alles sonnenklar zu sein. Jeder von uns brachte andere Arbeits- und Sichtweisen mit, und es war mir zum Beispiel ein Anliegen, dass man diese Unterschiede nicht zu Gunsten einer erzwungenen Einigung aufgeben sollte, sondern dass wir innerhalb der Gruppe versuchten, den individuellen Spielraum erhalten zu können, dies war aber eine sehr große Herausforderung im Hinblick auf die Erarbeitung eines gemeinsamen Projekts. Unsere Zusammenarbeit war sehr intensiv, wir arbeiteten sieben Tage die Woche, wobei die Nacta-Studenten einen Ferienmonat, den sie sonst zur Erholung und zur Abwechslung aus einem sehr strukturierten und anstrengenden Ausbildungs- und Trainingsprogramm genutzt hätten „opferten“, was ja auch für die Schweizer der Fall war, aber durch den Aufenthalt in einem anderen Land einen zusätzlichen Anreiz erbrachte. Gelegentliche Müdigkeitsanfälle und Geduldverluste waren deshalb bei jedem hie und da zu spüren, wobei dann die anderen Gruppenmitglieder versuchten zu stützen und auszugleichen. Gemeinsame Aktivitäten wie ein Abendessen in einem speziellen Restaurant, dass uns unsere einheimischen Freunde zeigen wollten waren wichtige Momente um Spannungen abzubauen und einander außerhalb der „Arbeit“ näher zu kommen.

In unserer Gruppe haben wir uns auch sehr für unsere unmittelbare und sehr spannende Umgebung interessiert, welche großen städtebaulichen Veränderungen unterworfen ist. Nicht nur die Schule selber ist im Umbau, sondern die ganze Zone wird radikal durch den Bau eines riesigen Business-Districts an der Stelle einstiger Wohn- und Kleinhandelszonen transformiert, was uns veranlasst hat uns im Quartier umzuschauen und mit Hilfe unserer tüchtigen Übersetzerin und Mitforscherin Interviews mit Anwohnern und Bauarbeitern zu führen. Dabei konnten nicht nur wir Auswärtigen, sondern auch unsere chinesischen Gruppenmitglieder viel neues zu entdecken und scheinbar Bekanntes mit neuen Augen anzuschauen.

Zum Abschluss gab es die große und mit Spannung erwartete Aufführung an einem ganz besonderen Ort, einem nahen „verzauberten“ Park, in welchem wir die Gelegenheit hatten, die ganze Arbeit nicht nur den recht zahlreichen und sehr interessierten Zuschauern verschiedener Altersgruppen zu präsentieren, und die fertigen Projekte der anderen Gruppen anzuschauen. Ganz besonders gefreut hat uns dabei auch der Besuch von bekannten Gesichtern aus unserem kleinen Stammrestaurant und anderen neugeschlossenen Bekanntschaften außerhalb der Schule.

Mir haben die vier Wochen unvergessliche Momente und Erfahrungen gebracht, welche auch eine wertvolle Inspirationsquelle für zukünftige Arbeiten darstellen, abgesehen von den neugeknüpften Kontakten auch innerhalb der ZHdK, die ich nach meinem Austausch in New York gerne fruchtbar machen möchte.