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Erfahrungsbericht Frederic Lilje, Departement Darstellende Künste und Film, BA Theaterpädagogik

Ein Versuch über einen bunten, anstrengenden, fremden, spannenden und bereichernden Monat in Beijing zu berichten.

Beijing ist anders als Zürich und Zürich ist anders als Beijing. In einer fremden Stadt auf einem fremden Kontinent mit Studenten zusammenzuarbeiten, essen zu gehen, durch die Strassen ziehen und sich kennen zu lernen ist toll. Ich habe einen Bezug zu einer fremden Kultur aufgebaut, den ich mit einer Reise nicht bekommen hätte. Ich habe Menschen kennengelernt, Ansichten verstanden, Meinungen verteidigt und mit fremden Arbeitsweisen zusammengeprallt. Die großen Unterschiede, kulturell und im speziellen in der Arbeitsweise, haben dieses Projekt so spannend aber auch genauso anstrengend gemacht. In langen Diskussionen, vielen Experimenten und erfolgreichen und scheiternden Ansätzen haben wir zu einem Ergebnis gefunden, dass von beiden Arbeitsweisen geprägt war. In einem bekannten Umfeld wäre vermutlich ein durchdachteres und vielleicht aussagekräftigeres Ergebnis entstanden, aber man darf es nicht ohne den Entstehungsprozess betrachten. Die größten Erfahrungen, die ich gemacht habe, stammen aus dem Missverstehen, Ausprobieren und Dranbleiben im Arbeitsprozess. 

Ein „Höhepunkt“ war für mich zu sehen, dass wir als Gruppe häufig gescheitert sind, uns verzettelt haben und zu keiner Einigung kamen, am Ende aber durchgehalten haben und einen Weg gefunden haben, jeden Einzelnen in der Gruppe zu berücksichtigen. Jeder Teilnehmer in unserer Gruppe hatte einen Moment in den vier Wochen, in denen er oder sie am liebsten das Handtuch geschmissen hätte und keinen weiteren gemeinsamen  gesehen hat. Trotzdem haben sich immer wieder alle auf die Diskussion eingelassen und das Ziel verfolgt, im Austausch zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen.

Besonders prägend war für mich die Erfahrung mit der Zeit. Alles braucht Zeit, viel länger Zeit als ich es gewohnt bin. Um zu einem bestimmten Ort zu kommen in Beijing braucht immer seine Zeit, weil die Stadt so groß ist. Einen Gegenstand zu besorgen oder zu organisieren braucht Zeit, weil ich mich nicht auskenne und die Strukturen nicht durchblicke. Eine Diskussion braucht Zeit, weil man alles mehrfach erklären muss und alles übersetzt werden muss. Bis alle da sind, braucht es Zeit. Bis man mit etwas anfängt, braucht es Zeit. 

Diese Erfahrung war für mich besonders prägend und ich fand es sehr spannend meinen Umgang mit diesem Phänomen zu beobachten.

Gelernt habe ich vor allem, dass es wichtig ist sich klar auszudrücken. Klar zu wissen, was ich selbst eigentlich will und wie meine Vorstellungen sind. Wenn ich mich unklar ausdrücke, wird vermutlich etwas Unklares übersetzt und unklar verstanden. Oder missverstanden. Das ist einerseits ein Problem, wenn man mit unterschiedlichen Sprachen und Übersetzer arbeitet. Aber ich denke, dass diese Verwirrung auch auftritt, wenn alle die gleiche Sprache sprechen. Manchmal tut Verwirrung und Unklarheit in einem Konzeptionsprozess gut, genauso wichtig ist es Entscheidungen für sich zu treffen und klar zu wissen, was mein Standpunkt ist.

Ich bin sehr froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. Diese Reise und das Abenteuer vom gemeinsamen Arbeiten hat mir Kraft und Mut für mein eigenes Arbeiten gegeben. Ich habe viele Arbeitsansätze verstanden, die mich sicherlich in meiner weiteren Arbeit prägen und mir helfen werden. 

Für das nächste gemeinsame Arbeiten mit den Stundenten der NACTA wünsche ich mir, dass beide Seiten von Beginn an auf dem selben Stand sind. Außerdem finde ich es wichtig, die Motivation der einzelnen Teilnehmer zu prüfen. Aus welchem Grund möchte ich bei Common Stage mitmachen? Welches Interesse habe ich? Welche Vorstellung habe ich von dem Projekt? Wenn in diesem Punkt eine größere Übereinstimmung herrscht, übernehmen alle Teilnehmer die gleiche Verantwortung, der Arbeitseinstieg ist einfacher und die Ergebnisse werden sicher noch ergiebiger.

Vielen Dank, dass ich die Chance bekommen habe, bei Common Stage mitzureisen und mitzuarbeiten!