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Projektbeschreibung - A Chinese Ghost Night

Bei Common Stage 2011 in Beijing war das Schweizer Theaterstück „Der Besuch der alten Dame“ Ausgangslage für die erarbeiteten Projekte. Im Gegenzug setzten wir 2012 die Auseinandersetzung mit den chinesischen Geister- und Liebesgeschichten des Autors Pu Songling in den Mittelpunkt. Pu Songling (1640-1715) war ein Literat der chinesischen Qing-Dynastie. Er hat mehrere literarische Werke geschaffen, unter denen die Novellensammlung "Liaozhai Zhiyi" (Seltsame Geschichten aus dem Lehrerzimmer) als sein bedeutendstes gilt. Es umfasst insgesamt 431 kurze, oft über-natürliche und fantastische Züge tragende Erzählungen, in denen Menschen- und Geisterwelt aufeinandertreffen. Mit Hilfe seiner ausgefeilten Erzählkunst kritisiert der Autor darin die feudale Ethik, die Korruption der Beamtenschaft, das unbarmherzige Examenssystem oder die einseitige Buchgelehrsamkeit der Akademiker und preist die individuelle Freiheit. Die bekanntesten Geschichten aus der Samm-lung werden heute noch für Film und Fernsehen adaptiert und sind bei der chinesischen Bevölkerung nachwievor beliebt und hoch geschätzt.

Mit Unterstützung des Pu Songling-Experten Prof. Dr. Roland Altenburger vom Ostasiatischen Seminar der Universität Zürich trafen wir eine Vorauswahl geeigneter Geschichten aus dem Liaozhai Zhiyi. Aus diesen wiederum wählten die Studierenden der ZHdK fünf Geschichten aus, anhand derer wir gemeinsam mit den Studierenden der NACTA die finalen Gruppen bildeten. Der Auftrag an die Gruppen lautete, sich in einem ersten Schritt mit den Inhalten der gewählten Geschichte auseinanderzusetzen und nach spezifischen Unterthemen und Fragestellungen zu suchen. Die Idee war nicht, die einzelnen Geschichten nachzuerzählen, sondern eigene Schwerpunkte zu setzen, diese in die heutige Zeit zu transformieren und die unter-schiedlichen Positionen in der interkulturellen Begegnung zu debattieren. Die nach Herkunft und Disziplin gemischten Gruppen von 6 – 7 Studierenden, sollten in einem nächsten Schritt Ideen und Konzepte entwickeln, wie sie die destillierten Inhalte in Bezug zu ihrer Geschichte setzen. Dabei sollen sie wechselseitig kulturelle Aspekte einfließen lassen und nach innovativen Ansätzen der Darstellung, Erzählung und Inszenierung suchen.

Die Performances, Inszenierungen und Installationen wurden schließlich in einem großräumigen, zweigeschossigen Industriebau umgesetzt, der früher als Autogarage, heute als Brockenhaus und Flohmarkt genutzt wird. Auf Grund der positiven Erfahrungen von Common Stage 2011 mit der Aufführung in einem Park in Beijing, suchten wir bei der Auswahl des Aufführungsorts wiederum nach einer Lösung im halböffentlichen Raum, welcher jeder Gruppe die Möglichkeit bot, einen individuellen Ort zu bespielen und sich die Zuschauer auf einen Parcours von einer Aufführung zur nächsten begeben. Das Brockenhaus mit seinem Überfluss an gebrauchten Gegenständen und den damit verknüpften Geschichten, schien uns für die zu bearbeitenden Geistergeschichten äußerst passend. Die Gruppen mussten sich in den laufenden Betrieb des Brockenhauses einfügen und Nischen suchen, welche sie in Absprache mit den jeweiligen Mietern bespielen und während der letzten Projektwoche intensiv zur Probe nutzen konnten. Am 31. August wurden die Resultate einem sehr interessierten Publikum in zwei Durchläufen gezeigt. Mit rund 200 Besuchern waren die Aufführungen gut besucht und die Kapazitätsgrenze einzelner Vorführungsorte erreicht.

Auszug aus dem Saalblatt

Entdecke die seltsame Parallelwelt der chinesischen Geister. Die Räume und Objekte im Brockenhaus stecken voller überraschender Bilder und berührender Geschichten über unerfüllte Liebe, Schicksal, Verwandlung und Wiederauferstehung von den Toten. Lassen Sie sich von den fremden Wesen verführen und in die Unterwelt geleiten.“